Curth Flatow

Curth Flatow ist einer der bekanntesten und beliebtesten Vertreter des so genannten Boulevardtheaters; mehr als zwanzig Stücke hat er in diesem Genre geschrieben. Mit weitem Abstand ist er somit Deutschlands erfolgreichster Lustspielautor. Viele Jahre lang führte er die Werkstatistiken der deutschsprachigen Bühnen mit an, gehörte er zu den erfolgreichsten Serienautoren des öffentlich-rechtlichen und privaten Fernsehens, ist er einer der meist dekorierten Schriftsteller in Deutschland – dennoch ist sein Name in kaum einem Literaturlexikon zu finden! Er wurde in mehr als ein Dutzend Sprachen übersetzt und hat somit auch international große Erfolge. Im Schnitt dürften gegenwärtig in aller Welt täglich mindestens zwei Aufführungen seiner Werke zu sehen sein.

„Wenn Berlin New York wäre, könnte Curth Flatow ein weltbekannter Broadway-Autor sein“, so Irmgard Seegers (DIE ZEIT). Ähnlich äußerte sich Friedrich Luft (DIE WELT), denn was Flatow schreibt, „dies ist weitaus besser, ist in seiner Machart viel witziger als das meiste, das wir uns in den letzten Jahren vom Broadway ausgeliehen haben …“ Die internationalen Vergleiche mit den ganz großen seines Fachs, mit Alan Ayckbourn, Noel Coward, Neil Simon, Dario Fo u.a. wurden und werden oft gezogen. Curth Flatow selbst nannte immer wieder Curt Goetz bzw. Erich Kästner als seine Vorbilder.

Curth Flatow wurde am 9. Januar 1920 in Berlin geboren. Er ist der Sohn des Humoristen und Vortragskünstlers Siegfried Flatow, der ein eigenes Kabarett hatte, und dessen Ehefrau Alwine, geborene Kiekebusch, die unter dem Namen Else Busch seinerzeit eine bekannte Chansonsängerin war. Dank dieser erblichen Vorbelastung lagen seine künstlerischen Interessen von jeher nicht nur bei der Literatur und dem Theater, sondern auch bei der Musik. Als Kind wollte der kleine Curth denn auch Kapellmeister werden; er legte Schallplatten auf und dirigierte dazu.

Anatomisch gesehen war Flatow ohnehin ein Unikum. Er besaß nicht nur zwei Wirbel zu viel, sondern hatte auch vier Nieren. Sechzig Jahre nach seiner Geburt resümierte Flatow daher auch: „Dass ich heute hier stehe – und stellenweise noch ganz frisch – ist für mich ein persönlicher Triumph. Als ich etwa 16 Jahre alt war, machte ein Arzt meine Mutter – wie er glaubte schonend – darauf aufmerksam, dass ich das 30. Lebensjahr wohl kaum erreichen werde. Der Arzt ist längst tot, aber Sie werden jetzt verstehen, dass dieser Tag für mich im wahrsten Sinne des Wortes eine doppelte Genugtuung bedeutet.“

Als er mit 17 Jahren mit seinem Vater im Kabarett Willy Rosen sah und der Vater ihm sagte, der Rosen habe eine hübsche Freundin, da wortwitzelte Curth bereits so spontan wie heute: „Die hat‘s gut, die ist auf Rosen gebettet!“ Ein Frühreifer des Humors also – mit dem späteren Grundsatz: „Ich möchte, dass die Leute auf der Bühne etwas erleben, was der Mann im Parkett auch erleben könnte.“ Doch der Jüngling vergriff sich zunächst noch nicht am Stoff, aus dem die Träume sind, sondern am edlen Zwirn: Er wurde Lehrling in der Konfektion. Die Textil-Fabrik verwandelte sich erst viel später für den 23-jährigen in eine Text-Fabrik. Wenngleich seine ausgeprägte Ader zum Schreiben also erst spät sichtbar wurde, so hat er doch bereits als Jugendlicher („immer wenn das Geld knapp war“) zu Geburtstagen und ähnlichen Anlässen Gedichte verfasst und verschenkt.

1935 machte Curth Flatow die Mittlere Reife, anschließend begann er (nach einem kurzen Umweg als kaufmännischer Lehrling einer Autozubehörfirma) eine Ausbildung in der Konfektion. Die Lehrzeit, die zweieinhalb Jahre dauerte – ein halbes Jahr schenkte man ihm – war jedoch kein reines Vergnügen. Nachdem er 1938 die Kaufmannsgehilfenprüfung abgelegt hatte, wurde er kaufmännischer Angestellter und begann eine weitere Ausbildung zum Modezeichner. Im Jahr 1943 wurde er zum kriegsbedingten Arbeitsdienst und schließlich zum Militär eingezogen, er konnte jedoch glücklicherweise in Berlin bleiben.

Anfang der vierziger Jahre wuchsen auch seine Ambitionen zu den Brettern, die die Welt bedeuten. Doch das war ein Wunsch, der in den Wirren jener Zeit zunächst nicht realisierbar war. Nach Kriegsende stellte er sich Willi Schaeffers vor und hatte dann bereits am 24. Juni 1945 seinen ersten Auftritt in einer Nachwuchsmatinee des „Kabaretts der Komiker“, indem er eigene Gedichte vortrug.

„Ich stand zum ersten Mal in meinem Leben auf der Bühne: 599 Menschen starrten mich an, einer guckte ostentativ weg – das war mein Bruder! Er hatte Angst, mich aus dem Konzept zu bringen … Ich hörte zum ersten Mal Lacher und erlebte zum ersten Mal den Applaus des Publikums, ein sehr angenehmes Gefühl … Am nächsten Tag las ich dann meine erste Kritik, die nur aus einem Satz bestand: ‚Ein junger Mann fiel uns auf – man wird sich den Namen merken müssen: Kurt von Flothow‘.“

Dann ging alles sehr schnell. Curt Flatow steckte voller Ideen – er hatte so viele Stoffe im Kopf, aus denen sich aber weder Mäntel noch Kostüme machen ließen – eher Chansons und Revuen. Das Kabarett hatte damals Hochkonjunktur! Zwei Monate später schrieb Flatow seine erste Kurzrevue, verließ die Modebranche und gründete mit einigen Kollegen das Kabarett „Die Außenseiter“, die monatelang jeden Sonntag vormittag auf einer anderen Bühne spielte.

Flatow trat im Kabarett der Komiker und in der Neuen Scala als Conférencier auf. Im Oktober 1947 wurde seine erste große Revue „Melodie der Straße“ aufgeführt. Flatow erinnert sich: „1947 sollten Bruno Balz und ich die Herbstrevue für das Kabarett der Komiker schreiben. Als wir aus dem Urlaub kamen, war natürlich noch keine Zeile geschrieben, und ziemlich beklommen schlichen wir beide zur ersten Besprechung. Man blickte uns erwartungsvoll an, und ich begann aus lauter Verzweiflung und schlechtem Gewissen zu erzählen. Ich erzählte und erzählte lauter Revue-Bilder, die uns noch gar nicht eingefallen waren … Bruno blickte mich ganz erstaunt an, und als ich dann fertig war im doppelten Sinne des Wortes, waren alle begeistert – nur ich nicht! Ich wusste nämlich überhaupt nicht mehr, was ich erzählt hatte. Zum Glück wurde von der Sekretärin alles mitstenografiert!“ Diese Revue wurde einer der größten Erfolge der Cabaret-Geschichte. Sie erlebte über 500 Vorstellungen und gastierte während der Berlin-Blockade auch in Westdeutschland. Dieser außerordentliche Erfolg veranlasste Curth Flatow künftig nur noch zu schreiben und nicht mehr selbst aufzutreten. Seit 1948 verfasste er verschiedene Cabaret-Revuen, Rundfunksendungen und Liedertexte.

So ganz allmählich wurde jedoch ein anderes Arbeitsfeld interessanter – der Kintopp! Ab 1950 war Flatow daher auch als Verfasser zahlreicher Drehbücher und Liedertexte für Kinofilme tätig. „Ich wurde damals so eine Art Feuerwehrmann des deutschen Lustspielfilms. Immer wenn ein Drehbuch nicht zu gebrauchen war, musste ich es bearbeiten – oft in letzter Minute!“

1953 heiratet Curt Flatow zum ersten Mal – die Ehe wurde zwölf Jahre später einvernehmlich geschieden. Seit 1954 war Curth Flatow ständiger Autor für den RIAS Berlin, hier lernte er auch Hans Rosenthal kennen, mit dem ihn eine lebenslange Freundschaft verband. Später schrieb er denn auch immer wieder für diverse Sendereihen Rosenthals, unter anderem für „Dalli Dalli“.

1954 schrieb Curth Flatow seinen ersten Musikfilm „Das Fräulein vom Amt“ – und hier gelang ihm auch sein erster und einziger Schlager „Es liegt was in der Luft …“ Curth Flatow erinnert sich: „Damals stieg gerade ein neuer Stern am Musikhimmel auf, eine junge Sängerin aus einer bekannten Artistenfamilie. Ich hatte das Vergnügen, mit dem Regisseur Paul Martin das Drehbuch für den Film zu schreiben, in dem sie ihre erste Hauptrolle spielte: ‚Liebe, Tanz und tausend Schlager‘! Die junge Dame hieß Caterina Valente. Als Partner engagierte man einen Sänger, der erst beim Verleih durchgesetzt werden musste; der junge Mann war ihnen nämlich zu unbekannt! Heute wären sie froh, wenn sie Peter Alexander zu einem Film bekommen würden!“

In jenen Tagen kam auch eine Frau aus Amerika zurück, die Curth Flatow seit ihren ersten Nachkriegsfilmen heiß verehrte – Hildegard Knef. Ihr neuer Film „Madeleine und der Legionär“ war für Flatow jedoch eine herbe Enttäuschung, und so sann er über bessere Rollen für die Knef nach. Plötzlich hatte er eine Idee. Die Knef sollte ein Berliner Mädchen spielen, das mit einem Amerikaner in die Staaten geht, drüben nicht geheiratet wird und dann mit einem Kind von einem anderen zurückkommt. Diese Geschichte ging ihm nicht aus dem Kopf. Das Mädchen bekam eine Mutter, Flatow in Horst Pillau einen Mitarbeiter, und als das Stück fertig war, nannte man es „Das Fenster zum Flur“. Horst Pillau sagte am letzten Tag: „Selbst wenn das Stück nie aufgeführt wird, schadet es nichts – die Arbeit hat so viel Spaß gemacht.“ Das Stück wurde aber am 30.01.1960 aufgeführt und ein riesiger Erfolg.

Vor und während der Laufzeit vom „Fenster zum Flur“ entstanden noch ein paar Drehbücher, aber allmählich trennte sich Flatow wieder vom Film. Curth Flatow stellte nämlich immer mehr fest, dass ihn diese Tätigkeit „zu sehr auslaugt“ und vor allem, dass das dort notwendige Tempo seiner ruhigen Arbeitsweise völlig widersprach. Für seine Gründlichkeit braucht er Zeit, die sich mit der Hektik einer Filmproduktion nur schlecht oder gar nicht verträgt. Stattdessen verlagerte er sich mehr und mehr auf das Verfassen von Theaterstücken.

Am 29.05.1966 wurde „Vater einer Tochter“ am Berliner Theater am Kurfürstendamm uraufgeführt. Ursprünglich war das Stück ein Film mit dem Titel „Meine Tochter und ich“ mit Heinz Rühmann in der Hauptrolle – aber die Verwandlung des Drehbuchs in ein Bühnenlustspiel ist dem Stoff ausgezeichnet bekommen. Allein in Berlin ist das Werk mit Georg Thomalla in der Hauptrolle über 500 mal gelaufen. Georg Thomalla spielte es dann auch in München und Johannes Heesters in Wien.

Als das Hebbeltheater 1968 ein neues Stück für Rudolf Platte brauchte, fiel Flatow eine alte Idee wieder ein. „Nun geschah etwas einzigartiges in dieser Branche. Die Besetzung wurde engagiert, ohne dass eine Zeile geschrieben war. Als die Proben begannen, bekamen die Schauspieler nur drei Bilder in die Hand. Das vierte war beim Abschreiben, und das fünfte entstand während der Probenzeit. Am 04.10.1968 ging der Vorhang im Hebbeltheater auf, und erst am 11.04.1970 schloss er sich wieder nach 508 Vorstellungen.“ Noch heute hält Flatow „Das Geld liegt auf der Bank“ für sein bestes Stück, zumal es unter schwierigen Umständen entstanden ist: Damals starb seine Mutter, und er selbst musste operiert werden.

Seinem Freund Georg Thomalla schrieb Curth Flatow 1973 die Komödie „Der Mann, der sich nicht traut …“ quasi auf den Leib. Es folgten Stücke wie „Durchreise“ (1982) wiederum für Thomalla, „Romeo mit grauen Schläfen“ (1985) für Axel von Ambesser, „Mutter Gräbert macht Theater“ (1988) für Edith Hancke und noch viele andere Stücke.

In einem Interview erklärte Flatow im Jahre 1985: „Ich habe in meinem Leben viel Glück gehabt; das private schaffte ich erst im zweiten Anlauf. Nach meiner Scheidung habe ich fünfzehn Jahre lang gesucht und gesucht. Ich hatte natürlich eine genaue Vorstellung von der Frau meiner Träume, aber es waren leider mehrere – eine Nachmittagsvorstellung, eine Abendvorstellung, eine Nachtvorstellung und eine Matinee. Vor sechs Jahren habe ich dann Brigitte kennen gelernt.“ 1980 heiratete er deshalb seine Frau Brigitte, geborene Werner, die zwei Kinder aus erster Ehe mit einbrachte. Aus diesen Erfahrungen machte Curth Flatow denn auch eine Serie fürs Fernsehen und landete damit seinen größten Erfolg in diesem Medium. „Ich heirate eine Familie“ mit Peter Weck und Thekla Carola Wied führte 1983 wochenlang die Medien-Hitliste an mit jeweils weit über 17 Millionen Zuschauern.

1987 musste sich Flatow einer schweren Herzoperation unterziehen. In einem Resümee, das der Autor damals zog, hieß es: „Natürlich ist von alledem, was ich einmal gelernt habe, Buchhaltung etwa, nicht mehr viel haften geblieben. Aber es reicht noch dazu, Bilanz zu ziehen. Aktiva: drei Kabarett-Revuen, dreißig Drehbücher, 320 Chansons und Liedertexte, sechs Theaterstücke, zwei Stückbearbeitungen, fünf Fernsehserien, viele Rundfunksendungen, ein Gedichtband, zwei Wirbel und zwei Nieren zu viel. Passiva: eine beschädigte Herzklappe und viele Stücke, die ich noch zu schreiben habe.“

In der Tat hat Flatow seither noch zahlreiche Theaterstücke verfasst – so unter anderem „Zweite Geige“ (1991), „Mein Vater, der Junggeselle“ (1994) sowie „Ein gesegnetes Alter“ (1996) für Johannes Heesters. Seit 1990 hat er auch diverse Fernseh-Galas, u.a. für Peter Alexander, Heinz Rühmann und Johannes Heesters, geschrieben.

Curth Flatow wurde unter anderem mit der Drehbuchprämie der Bundesregierung, der Goldenen Kamera, dem Telestar und dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet. Curth Flatow verstarb am 04.06.2011 im Alter von 91 Jahren – nur einen Tag nach der Premiere seines letzten Stückes „Kundendienst“.

Inszenierungen der Jungen Oberwerrner Bühne

1998   –   Der Mann, der sich nicht traut … (JOB-17)
2008   –   Vater einer Tochter (JOB-27)

Informationsquellen

de.wikipedia.org/wiki/Curth_Flatow